Hermann Ziegler, Nienburg
Hermann Ziegler
„...Ich wollte kein NS-Mann sein, da von zu Hause so ein bisschen dagegen geredet wurde. Die Scharnhorst Jugend war eine Organisation des Stahlhelm. Ein Lehrer sagte: geh da mal hin. Die nahmen mich auf.
Und nach 14 Tagen bekam ich Bescheid, ich sollte mich am Schlossplatz zu einer bestimmten Zeit einfinden. Dann kam ich da hin und da waren Hitlerjugend, Jungvolk und BDM aufmarschiert. Und dann wurde verkündet, dass die Scharnhorst-Jugend geschlossen in das Deutsche Jungvolk überführt worden sei. Dann war ich im Jungvolk. Ich war dann im Spielmannszug. Mein Vater hatte mir die Trommelschläge beigebracht. Das habe ich sechs Wochen gemacht. Dann gefiel mir der Dienst nicht. Die Führer entsprachen nicht meinen Vorstellungen. Es war so eine Antipathie. Die hatten ein großes Wort, da steckte nicht viel dahinter. Die hatten auch politisch keine Ahnung, dann bin ich zu Hause geblieben. Ich habe mich gewundert, dass hinterher nichts kam. Dann bin ich weg geblieben bis zur Schulentlassung 1937 auf der Nordertorschule.
Aber dann wurde es kritisch. Wenn man eine Lehrstelle suchte, war es wichtig, ob der Lehrmeister auch Nationalsozialist war. Ich musste also wieder eintreten, wohl oder übel.
1937 bin ich zur Flieger-HJ gegangen. Das war hier in Langendamm auf dem Osterberg. Da waren zwei große Hallen mit den Segelflugzeugen. In der einen Halle die Nienburger, in der anderen die Hannoveraner. Das ging bis 1942.
Ich war Scharführer und da stand im Vordergrund der Modellbau. Viele hatten Lust dazu, weil ja alles zur Verfügung gestellt wurde. Das war in der Berufsschule. Der Dienst war zweimal in der Woche, meistens dienstags und freitags. Und am Sonntag war Fliegen in Langendamm. Dann ging es an die Flugzeuge, das waren sogenannte Gleiter. Und damit konnte man auch nicht große Flüge machen, sondern machte „Sprünge“....

...Es war ein Umzug, wie ihn die Stadt bis dahin noch nicht gesehen hatte. In langen Kolonnen zogen neben den uniformierten NS-Organisationen auch Vereine und Verbände, Musikkapellen und Spielmannszüge durch die Straßen. Zwischen den Kolonnen fuhren geschmückte Wagen. So hatte die Glasfabrik Heye auf einem Wagen das Modell einer Wanne mit einer Arbeitsbohle aufgebaut. Auf der Fahrt durch die Stadt hantierten zwei Glasmacher mit ihren Geräten und demonstrierten die Herstellung einer Flasche. Die flatternden Hakenkreuzfahnen, die flotte Marschmusik, die frohen Gesichter der Teilnehmer und der vielen Leute am Straßenrand, hinterließen bei mir einen tiefen Eindruck – bis heute...

...Am 10. Mai 1933 versammelten sich etliche Partei-Organisationen auf dem Platz zwischen den Sparkassen. Heute heißt er Goetheplatz. Hier sollen Bücher verbrannt werden. Ich hatte davon gehört und lief hin. Als ich dort ankam, loderte am Rand des Platzes ein Feuer, in das Bücher geworfen wurden. Ein SA-Mann rief laut: „Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Thomas Mann!“ Ein anderer brüllte: „Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Karl Marx und Walter Rathenau!“ Es wurden hier Bücher des „undeutschen Geistes“ vernichtet. Dieser Vorgang wiederholte sich etliche Male. Ich, der ich so gerne Bücher las und zu Hause kaum welche hatte, konnte es nicht fassen, dass solche Werte, anscheinend sinnlos, vernichtet wurden. Aber wenn Erwachsene, ja sogar Lehrer, hier mitmachten, musste es wohl richtig sein.....“
geb. 27.3.1923 in Nienburg

Lehre als Vermessungstechniker
Studium an der Baugewerkschule Nienburg
Abschluss als Bauingenieur
Nach 1945 Studium an der Pädagogischen Hochschule Hannover
Seit 1948 Lehrer
1960 bis 1985 Rektor an der Realschule Langendamm
Flieger-HJ in Langendamm
Flieger-HJ in Langendamm. Hermann Ziegler: 2. von rechts.
U: Segelflughallen Langendamm.
Fotos: Ziegler